
Zu Besuch bei Käsegroßhändler Jürgen Würth
Wir sitzen im Büro des "Ökologischen Käsegroßhandels Jürgen Würth", das sich im ausgebauten Dachstuhl eines Hauses in Schwabach befindet. Im Erdgeschoss ist das Kühlhaus mit dem Lager, daneben ein Laden, darüber die Verwaltung. Eine schmale Treppe geht es hoch, oben im Büro erwartet uns freundliches, helles Holz, an den Wänden hängen Aquarelle, in der Ecke steht ein Sofa. Hier arbeiten Menschen, die Wert auf ein gemütliches und individuell gestaltetes Arbeitsumfeld legen.
Jürgen Würth passt in keine Schublade und er würde es sicher auch verhindern, wenn ihn jemand in eine solche stecken wollte.





Lange Partnerschaft mit ebl
Mit dem ebl-Gründer und Inhaber Gerhard Bickel verbindet ihn seit langen Jahren neben einer geschäftlichen Partnerschaft auch eine persönliche Freundschaft. "Prima Käse" hieß der Käsegroßhandel. Den meisten seiner zahlreichen Geschäftskunden aus Deutschland und Europa ist er heute eher unter dem Namen seines Gründers bekannt. Die meisten von ihnen betreiben einen Bioladen, ein Naturkostgeschäft oder Biofachmärkte, so wie ebl. Vor Jahren hat Würth einmal selber einen Ausflug in den Einzelhandel gemacht und seinen Käse an einem Stand in den "Hallen" nahe des Nürnberger Plärrers angeboten. Damals gab es den allerings erfolglosen Versuch, die ehemaligen Güterbahnhallen am Kohlenhof als Markthallen nach mediterranem Vorbild zu etablieren.
Über 300 verschiedene Bio-Käse
Mehrere hundert Bio-Käsesorten aus vielen europäischen Ländern führt Würth im Sortiment, daneben noch eine deutlich kleinere Auswahl an Wurstwaren und Antipasti. Viele Käse stammen aus Rohmilch, andere sind pasteurisiert, es gibt Schnitt-, Sauermilch- und Weichkäse, mager oder gehaltvoll, von der Kuh, der Ziege, dem Schaf - aber alle Käsesorten tragen den Vermerk, dass die Milch von Kühen stammt, die nach den Richtlinien eines der Anbauverbände gehalten werden. Die Siegel lauten "Bioland", "Demeter" oder "Gäa" bei heimischen Produkten, auf Käse aus dem Ausland steht beispielsweise "AMAB" für italienische Ware oder "Biogarantie" für Käse aus Belgien.
Die Falten in Würths Gesicht sind Zeugen einer Erfolgsgeschichte, die in den Siebzigerjahren mit einer Suche begann: "Ich wollte mehr machen, als nur mein Geld verdienen. Ich wollte etwas nachhaltig bewegen."
Während die einen Anhänger des technisch Machbaren waren, suchten andere wie Jürgen Würth einen Weg abseits einer ausschließlich auf Konsum ausgerichteten Gesellschaft. Wohngemeinschaften auf dem Land entstanden, wo Menschen, die die Nähe zur Natur suchten, sich zusammenfanden. Was Würth schon damals nicht verstand: "Wir wissen über viele technische Sachen Bescheid, wie ein Fernseher funktioniert, aber was die Grundlagen unserer Ernährung sind, wissen wir oft nicht." Ihn dagegen interessiert es, wo sein Essen herkommt, welche Menschen es verarbeiten.
Würth, der Rohmilchpionier
Anfang der 80er-Jahre gab es in Deutschland keine Butter und keinen Käse aus Rohmilch. Deshalb sei er damals nach Frankreich gefahren, wo er bei der elsässischen Familie Durr einen Bio-Bauernhof fand, der die gewünschten Rohmilchprodukte herstellte.
Als er anfing, Rohmilchbutter in Bio-Qualität aus Frankreich zu importieren, gab es in Nürnberg ein einziges Geschäft, das er belieferte. Er fuhr in das Elsass, wo er Gleichgesinnte traf, Pioniere wie er beim Thema Bio-Käse. Nach der Rohmilchbutter folgte als erster Rohmilchkäse der "Tomme d'Alsace", den er nach Deutschland brachte und der auch heute noch zu den erfolgreichsten Käsesorten in seinem Angebot zählt.
"Die Aufbauzeit war eine spannende Zeit", erinnert sich Würth. Anfangs habe er täglich noch für seine Mitarbeiter gekocht. Heute sorgen rund 20 Angestellte dafür, dass die Kunden schnell mit der bestellten Ware beliefert werden.
Ein Rad Emmentaler wiegt 100 Kilo
Im Kühllager ruhen die Schätze des Hauses bei konstant vier Grad. In den Regalen liegen Holzkisten voll mit Ziegenfrischkäse, davor auf Paletten 30-Kilo-Räder Gruyère, ein würziger Bergkäse aus Frankreich. Noch mächtiger der Schweizer Emmentaler, der am Stück ganze 100 Kilogramm auf die Waage bringt. Mit einem industriell hergestellten Emmentaler hat dieser Käse außer den Löchern nichts gemein. Er reift zwölf Monate in Höhlen in den Schweizer Bergen und bekommt dort einen intensiven, nussigen Geschmack. Bis unter die Decke stapelt sich Käse neben Käse: Neben einer reichhaltigen Auswahl aus Frankreich und dem Schweizer Emmentaler sehen wir englischen Cheddar und Stilton, spanischen Manchego, Bauernkäse aus Österreich und viel holländischen Ziegenkäse. Aus Italien kommen Pecorino, Parmesan und Mozzarella, aus Griechenland Feta, das als Käseland unterschätzte Belgien steuert kräftige Sorten bei, Dänemark ist mit Frisch- und Schnittkäsen vertreten. Auch aus Deutschland ist ein umfangreiches Sortiment verfügbar, der löchrige "Frankendammer" und der "Coburger Butterkäse" vertreten die heimatliche Region im Konzert der internationalen Käsesorten.
Etwa zwölf Tonnen Käse lagern hier. Da aber Frische bei Käse eines der wichtigsten Qualitätsmerkmale sei, schwanke die Menge im Lager ständig. Jürgen Würth zählt gereiften Ziegenkäse aus den Vogesen zu seinen Lieblingskäsesorten. Aber auch der belgische "Petite fleur", ein naturbelassener, handwerklich aus Rohmilch hergestellter Weichkäse nach Art des Camembert, und der "Fontal", ein lombardischer Alpenkäse aus pasteurisierter Kuhmilch mit mild-aromatischem Geschmack, klingen verlockend.
Auswahlkriterium für die Aufnahme eines Käses in das von Würth vertriebene Sortiment ist zum einen, dass die Zutaten, aus denen er hergestellt wird, ausschließlich kontrolliert biologischer Qualität entsprechen und wenn möglich nach den Richtlinien eines Öko-Verbandes hergestellt wird. Für Käse, die mit Anti-Schimmel-Mitteln oder anderen chemischen Zusätzen zur Konservierung versetzt werden, hat der Inhaber nur Verachtung übrig, denn "ein Käse, der sich nicht verändert, ist tot". Entspricht der Kandidat diesen Vorgaben, passt er ins Sortiment, und ist er vom Preis her in Ordnung, wird der Käse zum Probieren freigegeben. Fallen die Urteile der gemeinsamen Verkostung mit den Mitarbeiter*innen positiv aus, wird der Käse erst einmal vorläufig ins Programm genommen.
Auch Käse muss "atmen"
Mit steigenden Preisen für Käse sei in Zukunft weiterhin zu rechnen. Angesichts einer stetig zunehmenden Nachfrage nach Bio-Milch müssten auch die Käse-Produzenten ihren Landwirten höhere Milchpreise zahlen. "Vielleicht erhalten die Bauern dann auch endlich einmal einen gerechten Preis für ihre Milch", kommentiert Würth die Entwicklung. Für das Aufbewahren von Käse gibt er noch ein paar Tipps mit auf den Weg: "Den Käse sollten Sie kühl lagern, am besten im Kühlschrank im Gemüsefach, das ist nicht zu kalt. Verwenden Sie eine Verpackung, durch die Luft gelangt, eine hermetisch verschlossene Tupperware-Dose ist nicht geeignet." Vom Einfrieren rät sie generell ab, das sei dem Geschmack abträglich. Vor dem Essen soll der Käse außerdem Zimmertemperatur erreichen: "Holen Sie ihn dann aus dem Kühlschrank, wenn Sie die Flasche Wein öffnen, die sie dabei trinken möchten, also etwa eine halbe Stunde vor dem Essen. So können Käse und Wein ihr volles Aroma entfalten."