Der Wald – Lebensraum und Lebensstifter

Unsere Wälder sind wichtige Ökosysteme und doch behandeln wir unsere Wälder vielerorts so, als wären sie uns nichts wert. So werden immer noch pro Jahr geschätzte neun Millionen Hektar Naturwälder, insbesondere in den Tropen, zerstört. Ich habe mich mit Christian Stierstorfer, Waldexperte beim LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern e.V.), über den Zustand unserer Wälder hier in Bayern unterhalten.

Frank Braun: Herr Stierstorfer, Sie sind ja beim LBV als Waldexperte tätig. Wie ist es um unsere Wälder hier in Bayern bestellt?

Christian Stierstorfer: Der Wald nimmt in Bayern ein Drittel der Flächen ein. Allerdings ist der Begriff Wald irreführend, denn das sind größtenteils Forste, die künstlich von Menschen
geschaffen wurden. Der Anteil, den naturnahe und naturbelassene Wälder ausmachen, beträgt leider nur wenige Prozent. Beim Staatswald machen naturnahe und naturbelassene Wälder rund 10 % der Fläche aus. Das erfolgreiche Volksbegehren zur Artenvielfalt in Bayern zeigt hier aber schon Wirkung. So sind seither erfreulicherweise große Flächen im Bereich Naturwälder hinzugekommen. Das ist dringend notwendig, denn nur in einem Wald ohne menschliche Eingriffe kann sich die volle Dynamik entfalten und das ist die Grundvoraussetzung für das gesamte Artenspektrum eines Waldes.

FB: Wo sehen Sie die größten Verbesserungspotentiale für das System Wald in Bayern?

Christian Stierstorfer: Mit Sorge blicke ich auf den großen Druck auf die Wälder, z. B. durch die Energiekrise. In den Köpfen vieler Menschen werden gerade die Wälder zum Brennholzlieferanten degradiert. Leider denken viele immer noch, Brennholz sei als nachwachsender Rohstoff klimaneutral. Aber dem ist nicht so. Vielmehr nehmen wir eine CO2-Schuld auf, wenn wir Holz verbrennen. Die neuerliche CO2-Bindung durch nachwachsende Rohstoffe dauert allerdings Jahrzehnte. Die Klimakatastrophe ist aber längst da, insofern sollte unser Blick auf Holz als nachwachsenden Rohstoff etwas differenzierter sein.

FB: Stichwort Klima: Was heißt das für unsere Wälder?

Christian Stierstorfer: Der Wald hat eine ganz zentrale Rolle für das Klima. Er bindet CO2, die Wälder sorgen für eine Abkühlung unserer Umgebung, so entstehen beispielsweise
auch Wolken. Sie sind also ein wichtiger Faktor auch für unser Wetter. Schon jetzt bedarf es eines Umbaus der Wälder. Wir haben das große Glück, dass wir in Mitteleuropa eine große
Vielfalt in unseren Wäldern haben. Das bietet große Potentiale. Dazu gehört die naturnahe Waldnutzung in Kombination mit einem Netzwerk von Waldschutzgebieten. Aber es gibt auch Verlierer durch das sich schon verändernde Klima, wie z. B. die Fichte, die vielerorts immer noch der „Brotbaum“ in unseren Wäldern ist. Sie ist wegen ihres schnellen Wachstums als Holzlieferant sehr interessant, wurde aber leider auch an für die Fichte unnatürlichen Standorten gepflanzt. Die Fichte leidet in diesen Lagen besonders unter der Erwärmung und ist schwer betroffen, z. B. vom Borkenkäfer. Spannend wird es auch sein, zu beobachten, wie die Buche mit dem sich wandelnden Klima klarkommen wird. Zu den Gewinnern des sich verändernden Klimas zählen hingegen sicherlich die Eiche und die Elsbeere, die aber wegen ihres langsamen Wachstums für die Forstwirtschaft nicht so interessant sind. Insgesamt lässt sich sagen, dass das Volksbegehren erfreulicherweise sowohl beim Freistaat als auch bei den Waldbesitzern die Wichtigkeit der Artenvielfalt auch in unseren Wäldern hinterlegt und zu einem Umdenken geführt hat. Hier gilt es jetzt dranzubleiben, um unsere Wälder zukunftsfähig zu machen.

FB: Das sind ja durchaus auch positive Ausblicke, die Sie uns hier geben. Vielen Dank und weiter viel Erfolg bei Ihrer Arbeit!

Sie sehen, das Volksbegehren Artenvielfalt hat uns in Bayern sehr geholfen, damit unsere Wälder nicht zu reinen Rohstofflieferanten verkommen. Ein schönes Beispiel, dass sich Ihr Engagement auszahlt und Bürgerbeteiligung ein wirksames Instrument nachhaltiger Entwicklung ist. In Zeiten, wo schlechte Nachrichten dominieren tut es gut, zu sehen, dass sich auch Positives entwickelt hat.

Freier Autor: Frank Braun