Der Nutri-Score: Kritik aus der Bio-Branche

Die Bundesregierung hat 2018 die Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie zur Reduzierung von Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten (NRI) beschlossen. Teil davon ist eine erweiterte Nährwertkennzeichnung auf freiwilliger Basis. Ende September 2019 fiel die Entscheidung für das Nutri-Score-System.

Nun wird über eine gesetzlich verpflichtende Kennzeichnung von Produkten mit dem Nutri-Score diskutiert. Allerdings sehen die Bio-Branche und der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) e. V., in dem auch wir von ebl-naturkost Mitglied sind, großen Nachbesserungsbedarf. Denn aktuell benachteiligt der Nutri-Score Bio-Lebensmittel erheblich.

Beispielsweise wird ein Bio-Apfelsaft mit einem gelben „C“ bewertet und eine Cola light mit einem grünen „B“. Dabei ist der Bio-Apfelsaft ernährungsphysiologisch deutlich wertvoller als eine Cola light. Hochwertige Inhaltsstoffe wie mehrfach ungesättigte Fettsäuren, hoher Ballaststoffgehalt und sekundäre Pflanzenstoffe werden in der Bewertung bestimmter Produktgruppen gar nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt, obwohl sie ein ganz wesentlicher Bestandteil gesunder und ausgewogener Ernährung sind.

Wie wird der Nutri-Score berechnet?

Der Nutri-Score ist eine freiwillige Nährwertkennzeichnung ausschließlich für verarbeitete Lebensmittel, wie z. B. Pizza, Kekse, Fertiggerichte, Käse oder Fruchtjoghurt. Er wird auf Basis von verschiedenen Nähr- und Inhaltsstoffen ermittelt. Dabei werden wünschenswerte Nährwertelemente, wie z. B. Proteine, Ballaststoffe oder ausgewählte Öle, Nüsse, Obst und Gemüse, und weniger wünschenswerte Anteile, wie z. B. hoher Energiegehalt (Kalorien), viel Salz (Natrium), Fett und Zucker, miteinander verrechnet. Eine Skala von grünem A bis rotem E zeigt die Nährwertqualität
eines Produkts. Die Berechnung und Kennzeichnung mit der „Nutri-Score-Ampel“ führen die Hersteller auf Basis ihrer Produktrezeptur selbst durch.

Was kann der Nutri-Score?

Der Nutri-Score kann Menschen, die sich nicht mit Ernährung auskennen, eine erste schnelle und stark vereinfachte Orientierung beim Kauf von verarbeiteten Lebensmitteln oder Fertigprodukten bieten. Bei Testeinkäufen war der Nutri- Score hilfreich für Verbraucher*innen, um vergleichsweise kalorienärmere Lebensmittel zu wählen, also zum Beispiel Joghurt statt Pudding oder eine vegetarische Pizza statt einer Salami-Pizza.

Schwächen der Nutri-Score-Ampel

In Frankreich gibt es den Nutri-Score bereits seit 2017. Konzerne wie Nestlé und Danone haben seine Etablierung maßgeblich vorangetrieben und ihre Produkte bereits nach und nach den Kriterien angepasst. Durch das sogenannte „Food-Design“ kann der Nutri-Score ganz einfach manipuliert werden, um eine bessere Bewertung zu erhalten. Denn Füll- und Austauschstoffe, die den Fett- oder Zuckeranteil in einem Produkt senken, künstliche Aromen, Farb- und Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker, Emulgatoren, Stabilisatoren, usw. sind nicht nährwertrelevant und werden daher in der Bewertung des Nutri-Scores nicht berücksichtigt.

Kritik am bisherigen Algorithmus

Konventionellen Herstellern stehen eine Vielzahl an Ersatzstoffen zur Verfügung, die eine verbesserte Nutri-Score-Bewertung ihrer Produkte erheblich vereinfachen, aber auf der anderen Seite die Qualität eines Lebensmittels nicht steigern und es auch nicht gesünder machen. Die Verwendung von Zusatzstoffen in der Bio-Lebensmittel-verarbeitung wird hingegen in der EU-Öko-Verordnung stark beschränkt. Und: Bio-Hersteller können und wollen ihre Produkte nicht in vergleichbarer Weise künstlich optimieren.

Fazit

Eine Orientierung für gesunde Ernährung kann der Nutri- Score so nicht bieten. Damit Verbraucher*innen die tatsächliche Qualität und den Nährwert eines Lebensmittels beurteilen und eine bewusste Kaufentscheidung treffen können, sind auch Faktoren, wie z. B. Herkunft, Produktion, Verarbeitungsgrad, Nährwertzusammensetzung, sekundäre Pflanzenstoffe, Vitamine oder Mineralstoffe entscheidend.

Die BNN-Mitgliedsunternehmen aus Herstellung, Großund Einzelhandel setzen sich seit Jahrzehnten für gesunde, möglichst gering verarbeitete und nachhaltig produzierte Lebensmittel ein. Zu der aktuellen Nutri-Score-Diskussion sagt Kathrin Jäckel, BNN-Geschäftsführerin:
„Bio-Lebensmittel sind untrennbar mit einer intakten Umwelt verbunden. Sie sind außerdem durch den Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide bei der Erzeugung und mit möglichst naturbelassenen Zutaten auch die gesünderen Lebensmittel. Deswegen kann es nicht angehen, dass ein Label, das zu gesunder Ernährung hinführen soll, diese Tatsachen unberücksichtigt lässt.“

Herzliche Grüße

Christine Fröhlen (ebl-Redaktion)