Das Lieferkettengesetz – eine Bestandsaufnahme

Am 11.06.2021 hat der Bundestag das Lieferkettengesetz beschlossen. Erstmalig nimmt ein Gesetz Unternehmen in die Pflicht, die Einhaltung von Menschenrechten in den Lieferketten sicherzustellen. Das beschlossene Lieferkettengesetz ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, es weist aber noch viele Schwächen auf. Wir möchten Ihnen heute einen kurzen Überblick zum aktuellen Stand rund um dieses wichtige Thema geben.

Eigentlich ist es absurd, dass es im 21. Jahrhundert noch notwendig ist, ein Gesetz zum Schutz von Menschen gegen Ausbeutung am Arbeitsplatz zu erlassen. Es reflektiert aber die traurige Realität, dass die Einhaltung von Menschenrechten in vielen Staaten bei weitem nicht selbstverständlich ist. Hier nur einige Beispiele dieser dunklen Seite der Wirtschaft: Die internationale Arbeitsorganisation schätzt, dass rund 2,5 Millionen Menschen weltweit Opfer von Menschenhandel sind. Rund 160 Millionen Kinder weltweit müssen Kinderarbeit leisten. Fast die Hälfte der arbeitenden Kinder (79 Millionen) leidet unter Arbeitsbedingungen, die gefährlich oder ausbeuterisch sind – zum Beispiel in Goldminen in Burkina Faso oder auf den Baumwollfeldern in Indien. Das sind nur zwei von unzähligen Beispielen, die zeigen, mit welcher Doppelmoral große Konzerne am Markt agieren. Auf der einen Seite die auf Hochglanzpapier gedruckten Nachhaltigkeitsberichte, auf der anderen Seite die schmutzige Wirklichkeit.

Warum fängt keiner an, etwas zu ändern?

Zu groß ist der Preis- und Konkurrenzdruck in dieser globalisierten Wirtschaft. Es ist ein wenig wie bei der Henne und dem Ei, wenn man mit Unternehmen und Staaten spricht. Immer ist es das gleiche Argument: Wir müssen konkurrenzfähig bleiben! Nur wenn alle in dieser globalisierten Wirtschaft mitmachen, dann könne es funktionieren. Im Umkehrschluss heißt das dann eben auch, wir nehmen Sklaverei, Ausbeutung und Kinderarbeit in Kauf, trotz nachhaltiger Entwicklungsziele und der Menschenrechte, denen sich Deutschland verpflichtet hat. Mit dem „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“, so der offizielle Name des Gesetzes, soll das nun alles anders werden. Das Gesetz tritt 2023 in Kraft und erfasst zunächst Unternehmen ab 3.000, von 2024 an dann Unternehmen ab 1.000 Mitarbeiter*innen. Diese Unternehmen müssen fortan bei direkten Zulieferern sowie anlassbezogen auch bei indirekten Zulieferern Risiken für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung ermitteln, Gegenmaßnahmen ergreifen und diese gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) dokumentieren. Weitere Infos finden Sie auch unter lieferkettengesetz.de.

Ein Schritt in die richtige Richtung mit Nachbesserungsbedarf

Das Gesetz ist ein wichtiger Meilenstein, weg von rein freiwilliger Corporate Social Responsibility, die ja leider nie funktioniert hat, hin zu verbindlichen Vorgaben für Unternehmen. Leider wurde das Gesetz aber vor allem auf Druck des Wirtschaftsministeriums an einigen Stellen weichgespült. Anders als zunächst vorgesehen, gilt das Gesetz für weniger Unternehmen, schränkt die Sorgfaltspflichten von Unternehmen stark ein und begründet keinen zivilrechtlichen Haftungstatbestand mehr. Das bedeutet, dass Betroffene von Menschenrechtsverletzungen auf Basis dieses Gesetzes keinen Schadensersatz von Unternehmen einklagen können. Auch sind kleine und mittlere Unternehmen von der Einhaltung dieses Gesetzes befreit. Wie können wir es mit unseren Werten vereinbaren, dass wir Unternehmen von der Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards befreien?

Keine Frage, das Gesetz ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und wird auch Signalwirkung auf die anderen europäischen Länder haben, bei denen ein ähnlicher Gesetzesentwurf vorliegt. Unternehmenslobbyisten haben allerdings gerade wieder gezeigt, wie stark deren Einfluss in Brüssel und Berlin ist. So wurde ein Gesetzentwurf, der im Juni vorgelegt werden sollte, verschoben und soll „nachgebessert“ werden. Bald sind wieder Wahlen. Die Frage globaler Gerechtigkeit sollte auch zum wesentlichen Orientierungspunkt zählen, wo jede*r Einzelne ihr bzw. sein Kreuz setzen wird.

Herzlich grüßt

Frank Braun (freier Autor)