„An den Scheidewegen des Lebens stehen keine Wegweiser.“

Wir sorgen uns um unsere Zukunft, so ist im neuen Konsumklimaindex des Nürnberger Forschungsunternehmens GfK zu lesen. Kein Wunder: Wir schlittern von einer Krise in die nächste. Erst hat das Coronavirus die Klimakrise aus den Schlagzeilen verdrängt und nun hat der Krieg in Ukraine wiederum Corona in den Hintergrund geschoben.

Wir befinden uns gerade an einem Scheidepunkt und wünschen uns einen Wegweiser, aber wie es Charlie Chaplin einst sinngemäß formuliert hat: Auf dem Weg ins Unbekannte stehen keine Straßenschilder. Aber eines scheint klar: Wenn wir unsere Zukunft ernst nehmen, gilt es die Richtung zu ändern. Unsere Erwartungen hinsichtlich der konjunkturellen Aussichten und der Entwicklung unseres Einkommens haben laut der GfK-Studie im April ein historisches Tief erreicht. Wir haben Angst um unseren Wohlstand.

Zum Höhepunkt der Corona-Krise im Oktober 2020 fragte eine Umfrage des Portals statista nach unseren Wünschen. Danach wünschten wir uns vor allem weniger Egoismus, mehr Hilfsbereitschaft und eine Verringerung der sozialen Unterschiede für die Zukunft. Zudem gab rund die Hälfte der Befragten den Wunsch an, dass Geld und Materialismus eine geringere Bedeutung beigemessen werde. Wenn dem so ist, warum messen wir dann das Wohl und Wehe unserer Gesellschaft an Dingen wie dem Konsumklima?

Wir brauchen ein neues Bild von Wohlstand

Ich denke, wir halten krampfhaft an einem Bild von Wohlstand fest, das sich an die Entwicklung des Materiellen koppelt. Wahrscheinlich fehlt uns schlicht der Glaube an eine Alternative, um dieses alte Bild endlich loslassen zu können. Dabei ist den meisten von uns längst klar, wie zerstörerisch unser Lebensmodell für Mensch und Umwelt ist. Wie könnte denn dieses neue Bild von Wohlstand aussehen? Eine einfache Antwort darauf gibt es leider nicht. Aber wollen wir einfach so weitermachen, nur weil uns das neue Bild noch verschwommen erscheint?

Ich habe die letzten drei Jahre in Peru gelebt. Ein Großteil der Menschen dort träumt davon, ein Leben wie ein durchschnittlicher Deutscher zu leben. Was heißt das eigentlich? Hier zwei Beispiele: Auf 1000 Einwohner besitzen wir in Deutschland 573 PKW, in Peru sind es 35 PKW, in Äthiopien gar 0,92. Wir besitzen in Deutschland auf 1000 Einwohner 603 Computer, in Peru sind es 61, in Äthiopien gar nur 6. Rund die Hälfte der Weltbevölkerung träumt davon, so zu leben wie wir. Was sie damit meinen ist mehr Wohnraum, ein eigenes Auto etc. Wie wollen wir ihnen das verdenken?

Für mich ist klar: Nur wenn wir uns glaubwürdig ändern, gibt es eine Chance, dass wir nicht mit jedem Menschen, der zu Wohlstand kommt, die globale Krise weiter beschleunigen. Einige Zutaten für nachhaltigen Wohlstand liegen für mich klar auf der Hand. Anstatt materiellen Wohlstand an Besitz zu messen, könnten wir ihn doch an der Verfügbarkeit der Dinge messen, die wir benötigen. Könnte es für unser Glück und Sicherheitsgefühl nicht genügen, wenn wir Dinge nutzen können, wenn wir sie brauchen? Bei Büchern oder Kleidung gelingt das ja schon recht gut Dinge zu teilen oder zu tauschen. Die Möglichkeiten des Teilens sind aber sicherlich noch lange nicht ausgeschöpft. Eine zweite Zutat könnte Kooperation statt Konkurrenz sein. In einem solchen Denken fühlen wir uns nicht mehr einsam, wenn wir an unsere Zukunft denken. Wir lernen darauf zu vertrauen, dass wir eben nicht allein für unser Glück verantwortlich sind. Der Ukraine-Krieg zeigt uns gerade, zu wie viel Solidarität wir fähig sind, wenn es darauf ankommt.

Um einen neuen, zukunftsfähigen Weg zu gehen, brauchen wir den Mut, neue Handlungsmuster als unser neues „Normal“ einzuüben. Klar, wir werden auch mal scheitern, aber das ist ok. Wir lernen auch daraus. Kaum jemand lebt ein perfektes Leben. Unperfektsein heißt Mensch sein! Weder Corona noch die Klimakrise sind Vergangenheit. Auch die weltweite Kluft zwischen arm und reich nimmt weiterhin zu. Mehr vom Alten führt uns nur noch schneller an den Abgrund, sozial, ökologisch, ökonomisch. Besitz und Konsum neu denken sind zentrale Bausteine eines Wohlstands, der Zukunft schafft. Wenn wir etwas kaufen, dann sollten wir weiterhin konsequent auf Sozial- und Umweltstandards achten. Auch das ist Teil eines neuen Wohlstands, der sich nicht auf dem Leid anderer gründet.

Freier Autor: Frank Braun